Jahresbericht 1998
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4.2 Ordnungsverwaltung |
4.3 |
Justiz und Finanzen |
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4.3.1 |
Justiz |
In Kraft getreten ist das Justizmitteilungsgesetz, verabschiedet wurden das Vierte Strafvollzugsänderungsgesetz (StVollzÄndG) und das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz, die beide auch 1998 in Kraft getreten sind[112]. Nicht zum Abschluss gebracht hat der Gesetzgeber in der vergangenen Ligistlaturperiode das Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) 1996, über das wir schon mehrfach berichtet haben[113]. Dies bedeutet, dass in einem wichtigen Bereich der Justiz auch weiterhin ohne ausreichende datenschutzrechtliche Regelungen gearbeitet werden muss. Inzwischen hat die Bundesregierung den Entwurf eines StVÄG 1999 vorgelegt[114].
Das Justizmitteilungsgesetz (JuMiG)[115] ist am 1. Juni 1998 in Kraft getreten. Dadurch wird erstmals in Form eines Gesetzes geregelt, in welchen Fällen personenbezogene Mitteilungen der Justizbehörden über staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Verfahren an andere öffentliche Stellen zulässig sind. Nicht aufgenommen wurde allerdings die Pflicht zur Benachrichtigung des Betroffenen über die Datenübermittlungen. Nur in den Fällen, in denen der Betroffene bei Mitteilungen in Strafsachen nicht zugleich der Beschuldigte oder in Zivilsachen nicht zugleich Partei oder Beteiligter ist, sieht das Gesetz eine Unterrichtung über den Inhalt und den Empfänger der Mitteilung von Amts wegen vor. In allen übrigen Fällen wird dem Betroffenen nur auf Antrag Auskunft erteilt.
Vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes sind die Verwaltungsvorschriften über Mitteilungen in Strafsachen und Zivilsachen (MiStra und MiZi) von den Justizverwaltungen des Bundes und der Länder den Regelungen des JuMiG angepasst worden. Die von den Datenschutzbeauftragten angeregten Änderungen sind nur zum Teil aufgegriffen worden.
So wurde klargestellt, dass der automatisierte Abruf von Informationen durch die empfangenden Stellen unzulässig ist (Nr.9 Abs.2 MiStra). Nach § 15 Abs.1 BlnDSG darf ein automatisiertes Verfahren zum Abruf personenbezogener Daten durch Dritte nur eingerichtet werden, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich zulässt. Das JuMiG lässt einen automatisierten Abruf nicht zu. Die MiStra als bloße Justizverwaltungsvorschrift reicht zur Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens nicht aus.
Unverändert hingegen blieb die Regelung in den Mitteilungen in Strafsachen (z.B. in Nr.6 Abs.4 und 5 MiStra), die vollständige Anklageschrift bzw. das vollständige Urteil mitzuteilen. Nur im Einzelfall kann angeordnet werden, dass die Übermittlung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen oder die Übermittlung der Urteilsgründe unterbleiben sollen. Das in dieser Vorschrift vorausgesetzte Regel-Ausnahme-Verhältnis basiert auf einer pauschalen Vermutung zugunsten der Erforderlichkeit einer vollständigen Übermittlung. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet jedoch eine Erforderlichkeitsprüfung nicht nur bezüglich der Mitteilung als solcher, sondern auch hinsichtlich ihres konkreten Umfanges. Mitteilungen in Strafsachen zeichnen sich durch einen hohen Grad an Sensibilität und Schutzwürdigkeit der zu übermittelnden personenbezogenen Daten aus. Deshalb sollte im Einzelfall geprüft werden, ob über die Mitteilung des Anklagesatzes oder der Urteilsformel hinaus die Mitteilung der vollständigen Anklageschrift bzw. der Urteilsgründe erforderlich ist.
Neben den MiStra waren auch die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) zu überarbeiten. Das JuMiG hat den § 8 in das Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung (EGStPO) eingeführt. Danach ist in Strafsachen gegen Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften dem Präsidenten der Körperschaft, der das Mitglied angehört, die das Verfahren abschließende Entscheidung einschließlich ihrer Begründung zu übermitteln. Entgegen dieser Regelung sieht Nr.192 Abs.5 RiStBV[116] jetzt vor, dass diese Mitteilung auf dem Dienstweg zu erfolgen hat. Da nach dem Wortlaut des § 8 EGStPO die Mitteilung an den Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft zu richten ist, findet Nr.192 Abs.5 RiStBV im Gesetz keine Stütze. Darüber hinaus ist nach Nr.10 Abs.2 MiStra für andere Berufsgruppen in Strafsachen grundsätzlich sicherzustellen, dass die Mitteilungen unmittelbar die bei der empfangenden Stelle funktionell zuständigen Bediensteten erreicht. Da die Mitteilung über den Dienstweg zur Folge hätte, dass einer Vielzahl von Stellen ohne gesetzliche Grundlage höchst sensible Daten aus Strafverfahren gegen Abgeordnete zur Kenntnis gebracht würden, empfehlen wir, von dem Vollzug der Nr.192 Abs.5 RiStBV abzusehen. Der Präsident des Abgeordnetenhauses kann im Übrigen nach § 8 Abs.2 EGStPO auf die Übermittlung der abschließenden Entscheidung verzichten. Die Senatsverwaltung für Justiz ist der Ansicht, die Übermittlung der das Verfahren endgültig abschließenden Entscheidung sei im Wege der Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht nach §§ 145 bis 147 GVG i.V.m. § 21 Abs.1 AGGVG zulässig. Erforderlich ist es für die Fachaufsicht jedoch nur, den Stellen, die auf dem Dienstweg Kenntnis von dem Antrag zur Aufhebung der Immunität erlangt haben (Nr.192 Abs.3 RiStBV), mitzuteilen, dass das Verfahren durch Einstellung oder Urteil geendet hat. Nicht erforderlich ist die Übermittlung der Entscheidungsgründe, da damit jedenfalls in den Fällen, in denen die Unschuld des betroffenen Abgeordneten nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ein schwer wiegender Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht verbunden ist.
Nach Nr.IV/1 der Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) ist dem Sozialamt der Eingang einer Klage mitzuteilen, mit der die Räumung von Wohnraum im Fall der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges des Mieters nach § 554 BGB verlangt wird. Diese Mitteilungspflicht beruht auf § 15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wonach Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden kann, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Auf Anregung der Datenschutzbeauftragten wurde vorgesehen, dass der Betroffene gleichzeitig mit der Unterrichtung des Sozialamtes hierüber zu unterrichten ist. Nicht in jedem Fall einer Räumungsklage ist Ursache des Zahlungsverzuges die Zahlungsunfähigkeit des Mieters. Der Zahlungsverzug kann z.B. auch auf eine Minderung des Mietzinses zurückzuführen sein. Die tatsächliche Ursache wird sich häufig nicht bereits aus der Klageschrift ergeben. Die Sozialämter werden daher über eine nicht unerhebliche Zahl von Räumungsklagen informiert, obwohl die Mitteilung nicht in jedem Fall für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und die Mitteilung an die Sozialbehörde darüber hinaus sogar erheblichen Interessen der beklagten Mieter widersprechen kann. Durch die Unterrichtung wird dem Betroffenen in diesen Fällen zumindest die Möglichkeit eröffnet, von sich aus auf eine Löschung der überflüssigerweise übermittelten Daten hinzuwirken, bevor das Sozialamt weitere Aktivitäten entwickelt.
Nach Nr.I/11 Abs.1 Nr.1 MiZi hat das Gericht der Ausländerbehörde den "Aufenthalt" eines Ausländers mitzuteilen, der weder eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung noch eine Duldung besitzt. Diese Verwaltungsvorschrift - deren Zweck es auch sein sollte, die praktische Umsetzung der in § 76 Abs.2 Nr.1 Ausländergesetz (AuslG) geregelten Mitteilungspflicht zu erleichtern - gibt lediglich dessen Wortlaut wieder. Die Mitteilungspflicht umfasst nur die Mitteilung der Tatsache, dass der Betroffene sich unberechtigterweise in der Bundesrepublik aufhält. Unserem Vorschlag klarzustellen, dass lediglich die Identifizierungsdaten eines Ausländers sowie die Tatsache seines unerlaubten Aufenthaltes mitzuteilen sind, wurde nicht gefolgt.
Neue Datenschutzregelungen für den Strafvollzug
Am 1. Dezember 1998 ist das Vierte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes[117] in Kraft getreten, das die Datenverarbeitung im Strafvollzug[118] auf eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage stellt.
Im vergangenen Berichtsjahr haben wir die Gespräche mit der Leitung der JVA Tegel zur Abarbeitung der bei unserer 1995 durchgeführten Querschnittsprüfung festgestellten datenschutzrechtlichen Probleme fortgesetzt[119]. Im Mittelpunkt stand dabei die Datenverarbeitung in den Arztgeschäftsstellen der Teilanstalten. Bei unserer Prüfung hatten wir festgestellt, dass auf zahlreichen Krankenakten ein "roter Punkt" angebracht worden war. Dieser soll darauf hinweisen, dass der Gefangene HIV-infiziert ist. Mit der JVA Tegel wurde vereinbart, dass diese "roten Punkte" entfernt werden. Durch dieses Kennzeichen wird schon von weitem - insbesondere bei etwaigen Aktentransporten - das Vorliegen eines Sondermerkmales signalisiert und dadurch auch für den Transport ein zusätzliches Risiko für eine unbefugte Offenbarung dieser sehr sensiblen Angabe geschaffen. Die Markierung durch einen "roten Punkt" widerspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie dem Patienten schon optisch das Gefühl einer Stigmatisierung vermittelt, wenn dieser bei der Behandlung die Unterlagen zu Gesicht bekommt, und auch für andere in den Behandlungsraum Eintretende dieses Merkmal ohne große Schwierigkeiten erkennbar sein kann. Diese Auffassung wird auch von der Ärztekammer Berlin geteilt. Nach deren Ansicht geht diese Form der Kennzeichnung auch über eine sinnvolle und notwendige Information der nachbehandelnden Ärzte hinaus.
Auch die regelmäßige - d.h. unabhängig von einer konkret bevorstehenden Behandlung - Mitteilung über HIV-infizierte Gefangene an den Zahnarzt der Anstalt und die regelmäßige Übermittlung dieses Hinweises an mit- oder nachbehandelnde Ärzte, die in der Vergangenheit in der JVA Tegel praktiziert wurde, ist unzulässig. Patientendaten dürfen nur an andere Ärzte weitergegeben werden, wenn dies zur Nach- und Weiterbehandlung erforderlich ist (§ 3 Abs.4 und 6, § 4 Abs.3 Berufsordnung der Ärzte i.V.m. §§ 6, 13 BlnDSG). Dies gilt für alle Patienten, also auch für Gefangene in einer Justizvollzugsanstalt.
DNA-Identitätsfeststellungsgesetz
Als Abschiedsgeschenk hat die alte Bundesregierung noch das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7. September 1998[120] hinterlassen. Dieses Gesetz ergänzt zunächst die Strafprozessordnung um einen § 81g. Diese Vorschrift regelt, dass dem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung - insbesondere eines Verbrechens, eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahls in besonders schwerem Fall oder einer Erpressung - verdächtig ist, zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden dürfen, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Täters oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer der genannten Straftaten zu führen sind. Nach § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz ist die Durchführung solcher Maßnahmen auch dann zulässig, wenn der Betroffene wegen einer der genannten Straftaten rechtskräftig verurteilt oder nur wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit, auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder fehlender oder nicht ausschließbarer fehlender Verantwortlichkeit (§ 3 JGG) nicht verurteilt worden ist und die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist. Darüber hinaus regelt das Gesetz, dass die so gewonnenen Daten nach dem Bundeskriminalamtsgesetz in einer zentralen Datei bei dem BKA [LINK] verarbeitet und genutzt werden können.
Diese Möglichkeit des Vorhaltens hochsensibler personenbezogener Informationen in einer Datei stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von völlig neuer Qualität dar. Die automatisiert gespeicherten Informationen aus DNA-Merkmalen, die zum Zweck der Identitätsfeststellung erstellt worden sind, ermöglichen derzeit zwar noch keine über die Identifizierung hinausgehenden Aussagen zur jeweiligen Person oder zu deren Erbgut; in Einzelfällen können die analysierten, nicht-codierenden, persönlichkeitsneutralen DNA-Merkmale jedoch mit codierenden Merkmalen korrespondieren. In Anbetracht der weltweiten, intensiven Forschung im Bereich der Genom-Analyse ist es nicht ausgeschlossen, dass künftig auch auf der Basis der Untersuchung von bisher als nicht-codierend angesehenen Merkmalen konkrete Aussagen mit inhaltlichem Informationswert über genetische Dispositionen der betroffenen Personen getroffen werden können. Dieses Risiko ist deshalb nicht zu vernachlässigen, weil gegenwärtig weltweit mit erheblichem Aufwand die Entschlüsselung des gesamten medizinischen Genoms vorangetrieben wird. Dieser Gefährdung hätte dadurch begegnet werden können, dass bei Bekanntwerden von Überschussinformationen durch die bisherigen Untersuchungsmethoden andere Untersuchungmethoden - z.B. die Analyse eines anderen Genom-Abschnittes - verwendet werden, die keine Informationen über die genetische Disposition liefern. Derartige Ausweichstrategien können jedoch zur Folge haben, dass die mit anderen Methoden erlangten Untersuchungsergebnissen nicht mit bereits vorliegenden vergleichbar sind. Datenspeicherungen über verformelte Untersuchungsergebnisse können daher dazu führen, dass einmal verwendete Untersuchungsmethoden im Interesse der Vergleichbarkeit beibehalten werden, obwohl sie sich als problematisch herausgestellt haben und unproblematische Alternativen zur Verfügung stehen.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat darauf hingewiesen, dass - wenn man dieses Risiko dennoch hinnimmt - zumindest ein grundsätzliches Verbot der Verformelung und Speicherung solcher Analyse-Ergebnisse statuiert werden müsse, die inhaltliche Aussagen über Erbanlagen ermöglichen[121]. Im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit künftiger Rückschlüsse auf genetische Dispositionen hätte ein striktes Nutzungsverbot statuiert werden müssen für persönlichkeitsrelevante Erkenntnisse, die aus den gespeicherten Verformelungen der DNA resultieren. Dem ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen.
Auch im Übrigen bieten die einzelnen Vorschriften Anlass zur Kritik:
Bescheidung des Antragstellers nach Verfahrenseinstellung
Im Jahresbericht 1996[122] hatten wir darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft den Anzeigeerstattern, aufgrund deren Anzeige ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, in der Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO zu weit gehende Mitteilungen macht. So wurde der Tatvorwurf aus weiteren gegen den Beschuldigten laufenden Ermittlungsverfahren mitgeteilt, aus denen eine höhere Strafe zu erwarten ist, gegen die die aus dem eingestellten Ermittlungsverfahren zu erwartende Strafe nicht erheblich ins Gewicht fällt.
Die Senatsverwaltung für Justiz hat sich unserer Auffassung, dass die Angabe des Tatvorwurfes nicht erforderlich ist, angeschlossen und die Staatsanwaltschaften angewiesen, dem Anzeigenden Tatvorwürfe aus anderen Verfahren künftig nicht mehr mitzuteilen. Der Einstellungsbescheid gegenüber dem Anzeigenden ist zu begründen (§ 171 Satz 1 StPO), d.h., es sind die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens geführt haben, anzugeben. Nr.89 Abs.2 Satz 1 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) sieht vor, dass die Begründung sich nicht nur auf allgemeine und nichts sagende Redewendungen beschränken darf. Demgegenüber stellt Nr.4a RiStBV klar, dass alles, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann, zu vermeiden ist. Dem Interesse des Anzeigenden an einer nachvollziehbaren Begründung kann durch die Wiedergabe des Wortlautes des § 154 Abs.1 StPO Rechnung getragen werden. Damit wird ausgesagt, dass
Informationszentrale für den Steuerfahndungsdienst (IZ-Steufa)
Auch in diesem Berichtsjahr wurden weder auf Bundes- noch auf Landesebene Initiativen zur Aufnahme datenschutzrechtlicher Regelungen in die Abgabenordnung ergriffen[123]. Die Senatsverwaltung für Finanzen hält an ihrer Auffassung fest, dass das Steuerrecht bereits umfassende, alles abdeckende Datenschutzvorschriften in Gestalt des Steuergeheimnisses enthalte[124]. Mit dieser Begründung wird nicht nur eine datenschutzrechtliche Reform der Abgabenordnung abgelehnt, sondern auch die Anwendbarkeit des Berliner Datenschutzgesetzes für die Steuerverwaltung. Diese Auffassung widerspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, das unmissverständlich bereichsspezifische gesetzliche Regelungen gefordert hat. Das in der Abgabenordnung vorgesehene Steuergeheimnis erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Das hat auch der Unterausschuss "Datenschutz" des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin so gesehen[125] und angekündigt, eine Bundesratsinitiative Berlins zu fordern, wenn auf Bundesebene weiterhin keine Gesetzesinitiativen ergriffen werden.
Wozu die Auffassung der Senatsverwaltung für Finanzen führt, zeigt die Vorgehensweise bei der IZ-Steufa, für die in der Abgabenordnung nur unzureichende Regelungen existieren. Die Senatsverwaltung für Finanzen weigert sich, bei der Speicherung dieser sehr sensiblen Daten die Regelungen des Berliner Datenschutzgesetzes zu beachten.
Die IZ-Steufa ist bei dem Finanzamt Wiesbaden II ansässig. Sie wurde 1977 durch eine Verwaltungsvereinbarung der alten Bundesländer ins Leben gerufen; die neuen Bundesländer sind dieser Verwaltungsvereinbarung beigetreten. Der Bundesgesetzgeber hat die IZ-Steufa 1993 durch Einführung des § 88a AO auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die IZ-Steufa hat die Aufgabe, mittels einer Steuerstraftäter-Kartei Auskunft über Steuerstraftäter und Tätermerkmale zu geben. Sie nimmt Informationen der mit der Steuerfahndung und sonstiger mit der Führung von Ermittlungen in Steuerstrafsachen betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden entgegen, wertet sie aus und gibt diesen Dienststellen Auskunft. Die Finanzbehörden der Länder melden der IZ-Steufa Daten aus Steuerfahndungsverfahren und Steuerstrafverfahren, die dort in einer manuell geführten Datei gespeichert werden. Die Aufbewahrungsfristen hat das Hessische Ministerium der Finanzen 1993 durch einen Erlass geregelt. Die Karteikarten sind danach ohne Differenzierung zehn Jahre aufzubewahren.
Die IZ-Steufa betreibt Auftragsdatenverarbeitung für die einzelnen Bundesländer[126]. Daraus folgt, dass die Stellen des Landes Berlin, die bei der IZ-Steufa Daten verarbeiten lassen, für die Einhaltung der Vorschriften des Berliner Datenschutzgesetzes verantwortlich bleiben (§ 3 BlnDSG). Sie haben daher auch die Einhaltung des § 17 BlnDSG, der die Berichtigung, Sperrung und Löschung von Daten regelt, sicherzustellen. Danach dürfen die gemeldeten Daten bei der IZ-Steufa nur so lange gespeichert werden, wie es zur Aufgabenerfüllung der meldenden Finanzämter erforderlich ist. Die derzeitige Praxis der Berliner Steuerbehörden verstößt gegen diese Vorschrift.
Die festzulegenden Löschungsfristen könnten sich an § 476 Abs.2 StPO orientieren. Dieser regelt für das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister, dass bei Einstellungen von Verfahren die Daten zwei Jahre nach der Erledigung des Verfahrens zu löschen sind, es sei denn, vor Eintritt der Löschungsfrist wird ein weiteres Verfahren zur Eintragung in das Verfahrensregister mitgeteilt. In diesem Zentralen Verfahrensregister sollen auch Daten aus Steuerfahndungs- und Steuerstrafverfahren gespeichert werden und zum Abruf der Finanzbehörden bereitstehen.
Die Finanzverwaltungen erwägen, die IZ-Steufa einzustellen, wenn das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister funktioniert. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine längere Speicherung dieser Daten in der IZ-Steufa erforderlich ist. Jedenfalls ist die pauschale Datenspeicherung von zehn Jahren - unabhängig vom Einzelfall und vom Ausgang des Verfahrens - unverhältnismäßig.
Fahrtenbuch für Ärzte
Durch das Jahressteuergesetz 1996 wurden die ertragsteuerliche Behandlung der privaten Kfz-Nutzung sowie die Pauschalierung der privaten Pkw-Kosten vereinheitlicht. Der private Nutzungsanteil eines geschäftlich genutzten Kfz kann im Einzelfall allerdings zu einer deutlichen Steuermehrbelastung führen, denn eine Pauschalierung kann den Besonderheiten im Einzelfall nur unvollkommen Rechnung tragen. Als Ausnahme von der gesetzlich festgelegten Pauschalierung des privaten Nutzungsanteils können die auf die Privatfahrten anfallenden tatsächlichen Kosten in der Steuererklärung nur angesetzt werden, wenn die Betroffenen das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein Fahrtenbuch nachweisen. In dem Fahrtenbuch sind auch die Namen und Adressen der aufgesuchten Kunden anzugeben.
Diese nur in Steuerrichtlinien vorgesehene Regelung führt zu Ergebnissen, die mit dem Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren sind. Nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. Dezember 1983[127] muss für die betroffenen Kunden nachvollziehbar sein, welche Stellen welche Daten zu ihrer Person zu welchen Zwecken verarbeiten. Nach dem vom Bundesministerium der Finanzen geforderten Verfahren muss jeder Bürger damit rechnen, dass bei irgendwelchen Finanzämtern in den Anlagen zur Steuererklärung eines Dritten Daten zu seiner Person gespeichert werden. Besondere Bedeutung kommt dieser Problematik in den Fällen zu, in denen das Fahrtenbuch von zur Geheimhaltung verpflichteten Personen - wie z.B. Ärzten - geführt wird. Das Bundesministerium der Finanzen hatte deshalb 1996 entschieden, dass zumindest für Ärzte, die typischerweise Hausbesuche machen, die Angabe "Patientenbesuch" ausreicht. Diese Entscheidung hat das Bundesministerium der Finanzen Ende 1997 aufgehoben. Seit 1998 verlangen die Finanzämter, dass Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und andere zur besonderen Geheimhaltung verpflichtete Personen zum Nachweis der beruflichen Veranlassung der Fahrt mit ihrem Wagen im Fahrtenbuch den Zweck sowie die Namen und Adressen ihrer Kunden angeben.
Die Namen und Anschriften der aufgesuchten Patienten unterliegen dem Auskunftsverweigerungsrecht der Ärzte nach § 102 Abs.1 Nr.3c Abgabenordnung (AO). Bei berechtigter Auskunftsverweigerung tritt das öffentliche Interesse an der Sachaufklärung insoweit zurück, und dem Schutz des jeweils in Frage stehenden Vertrauensverhältnisses wird Vorrang eingeräumt[128]. Nach § 102 Abs.1 Nr.3c AO können Ärzte über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist, gegenüber den Finanzbehörden die Auskunft verweigern. Ob der Arzt hiervon Gebrauch macht, muss seiner freien Entscheidung überlassen bleiben. So weit Ärzte gezwungen sind, zur Wahrung steuerlicher Interessen ein Fahrtenbuch zu führen, stellt die Forderung nach der Angabe von Namen und Anschriften ihrer Patienten eine unzulässige Verpflichtung dar. Die Patienten haben darüber hinaus ein durch § 203 Strafgesetzbuch (StGB) geschütztes Interesse an der Verschwiegenheit des Fahrtenbuchführenden. Dieses Interesse bezieht sich nicht nur auf den Inhalt des im Rahmen des Besuches geführten Gespräches, sondern kann bereits durch die Offenbarung der Tatsache, dass ein Besuch stattgefunden hat, verletzt werden[129]. Nach § 203 Abs.1 Nr.1 StGB macht sich ein Arzt strafbar, der unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Arzt anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.
Haushaltsplan als Adressbuch
Der Haushaltsplan 1998 versetzte Mitarbeiter und Behördenleitung einer Berliner Behörde in Erstaunen - mussten sie doch feststellen, dass er bei den Einnahmen der Behörde die genauen Anschriften der Dienstwohnungen der Mitarbeiter einschließlich der zu zahlenden Jahresmiete auflistete.
Der Haushaltsplan dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfes, der zur Erfüllung der Aufgaben Berlins im Bewilligungszeitraum voraussichtlich notwendig ist; er ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung (§ 1 Landeshaushaltsordnung (LHO)). Zur Erstellung des Haushaltsplanes haben die öffentlichen Stellen beizutragen, indem sie der Senatsverwaltung für Finanzen eine Aufstellung über ihre zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben zur Verfügung stellen. Die Senatsverwaltung für Finanzen hatte im Aufstellungs-Rundschreiben 1998 dazu aufgefordert, in dem Titel "Mieten für Grundstücke, Gebäude und Räume" der betroffenen Behörde die vermieteten, verpachteten oder sonstigen zur Nutzung überlassenen Objekte einzeln unter Angabe der Lage (regelmäßig Straße und Hausnummer), der Fläche, der monatlichen Miete/Pacht je Quadratmeter sowie der erwarteten Einnahmen aufzuführen. Diese Daten sind dann von der Senatsverwaltung für Finanzen in den Haushaltsplan übernommen und veröffentlicht worden.
Die Veröffentlichung der detaillierten Angaben zu den Vertragsverhältnissen stellt eine Datenübermittlung an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereiches dar (§ 13 BlnDSG), da der Haushaltsplan öffentlich ausliegt, z.B. in allen Bezirksämtern und in den Stadtbibliotheken. Das ist nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Es handelt sich hier um personenbezogene Daten, da bei genauer Bezeichnung des Objektes und Angabe des Mietzinses nachvollziehbar war, welcher Mieter welcher Wohnung welchen Mietpreis entrichtete. Da weder eine Einwilligung der betroffenen Mieter vorlag noch die LHO die Veröffentlichung erlaubt, war sie unzulässig.
Die Senatsverwaltung für Finanzen hat inzwischen in dem Aufstellungs-Rundschreiben 1999 klargestellt, dass der Schutz personenbezogener Daten Vorrang vor der Transparenz des Haushaltsplanes hat.
4.4 Sozialordnung |